Die unterschiedlichen Interessen und Erwartungen stellen für Facility-Management-Dienstleister eine Herausforderung dar, wenn es um bedarfsgerechte Lösungen für mehr Nachhaltigkeit bei Immobilien geht. Dem Ruf nach einer höheren Nachhaltigkeitskompetenz muss ein intensiverer Austausch zwischen Kunden und Dienstleistern vorausgehen. So die Schlussfolgerungen aus der ersten Auswertung der aktuellen Marktstudie der WISAG Facility Service Holding zum Thema Nachhaltigkeit in der Immobilienwirtschaft. Der Hauptfokus lag auf Deutschland, aber auch österreichische Unternehmen nahmen an der Studie teil. Einer weiteren Studie zufolge hat das Thema Nachhaltigkeit hierzulande einen noch höheren Stellenwert als in anderen europäischen Ländern.
Wie bereits die Vorgängerstudie aus dem Jahr 2011 richtete sich das aktuelle Nachhaltigkeitsradar an Experten, die nach ihrer Einschätzung zur Nachhaltigkeit in der Immobilienwirtschaft sowie ihrer Motivation, Nachhaltigkeit im Facility Management (FM) zu intensivieren, gefragt wurden. Der Schwerpunkt der diesjährigen Befragung lag auf der Betrachtung der Kosten sowie der Identifizierung von Barrieren, die die Umsetzung nachhaltiger FM-Dienstleistungen erschweren. Auf einer Skala von 1 (ja) bis 6 (weiß nicht) konnten die Befragten zu unterschiedlichen Aspekten von Nachhaltigkeit in der Immobilienbranche Stellung nehmen.
Der Markt steckt nach wie vor in den Kinderschuhen
Die Vorzüge nachhaltig bewirtschafteter Immobilien durch einen verbesserten Cashflow (Wert: 1,76) oder die aussichtsreicheren Vermarktungschancen (Wert: 1,77) nimmt der Markt gerne an. Die Befragten sehen ebenfalls bessere Marktchancen für die Anbieter nachhaltiger FM-Dienstleistungen (Wert: 2,06). Doch zeigt die Bewertung im Bereich „ja, aber …“, dass sich der Markt noch immer in einer frühen Entwicklungsphase befindet.
Der Kostendruck verschärft sich
Investitionen in nachhaltigen Gebäudebetrieb müssen sich schnell rechnen. Während 2011 der Wert hier noch bei 3,02 lag, steigt er 2012 signifikant auf 2,0 an. Demnach messen die Befragten kurzen Amortisationszyklen mittlerweile eine noch größere Bedeutung zu. Zudem werden in konventionellen Immobilien nachhaltige Dienstleistungen nur dann nachgefragt, wenn sie zu Kostensenkungen im Betrieb führen (Wert: 2,47). Hier zeigt sich nach Ansicht von Ralf Hempel, Geschäftsführer der WISAG Facility Service Holding, gerade in Bezug auf konventionelle Bestandsimmobilien ein Dilemma: „Zwar können wir als Dienstleister auch bei Bestandsimmobilien für mehr Nachhaltigkeit sorgen, doch ohne grundlegende Investitionsbereitschaft seitens der Eigentümer werden wir den Immobilienbestand nicht ökologisch machen.“
Herausforderndes Umfeld durch unterschiedliche Interessen und Erwartungen
Die Nachhaltigkeit in der Immobilienbewirtschaftung ist schwierig umzusetzen, weil Asset- und Property-Manager, Nutzer und FM-Dienstleister unterschiedliche Interessen vertreten. Sehr deutlich fällt daher die Bewertung der unterschiedlichen Interessenlagen verschiedener Stakeholder als möglicher Störfaktor aus (Wert: 2,18). Auch die unklaren Vertragsregelungen machen nach Ansicht der Befragten mehr Nachhaltigkeit im Immobiliensektor schwierig (Wert: 2,39). Es ist zu befürchten, dass das Optimierungspotenzial der FM-Dienstleister zwischen die oftmals gegensätzlichen Interessen der Stakeholder einer Immobilie gerät und durch unzureichende Abstimmungs- und Kommunikationsprozesse ungenutzt bleibt.
Auf der einen Seite halten die Befragten das Angebotsspektrum an FM-Dienstleistungen für durchaus ausreichend (Wert: 2,70 von „eher ja“ zu „teils, teils“ tendierend). Andererseits wünschen sich die Teilnehmer mehr Impulse für nachhaltige Lösungsvorschläge (Wert: 2,54) und eine deutlich bessere Nachhaltigkeitskompetenz seitens der FM-Dienstleister (Wert: 2,57). Dabei sehen die Immobilienverantwortlichen durchaus, dass der künftige Betrieb bei der Planung zu wenig berücksichtigt wird (Wert: 2,67).
Intensiverer Austausch vonnöten
Ralf Hempel sieht in den teils ambivalenten Ergebnissen seine Erfahrungen aus dem operativen Geschäft bestätigt: „Die Kunden stellen sehr hohe Erwartungen an uns als Dienstleister – jedoch oftmals ohne diese zu präzisieren.“ Die Lösung sieht er in einem intensiveren fachlichen Dialog und einer besseren Abstimmung zwischen den Beteiligten sowie einer stärkeren Einbindung der FM-Dienstleister in Investitionsplanungen und Immobilienstrategien. „Dann wird es uns besser als bisher möglich sein, bedarfsgerechte Lösungen anzubieten und unser Portfolio auszubauen.“ Dass dies ein Erfolg versprechender Weg ist, zeigt beispielsweise der intensive Austausch, den die WISAG Facility Service 2011 mit ihren Kunden zum Thema Energieoptimierung angestoßen hat: Bis dato analysierten die Energieexperten der WISAG rund 75 Objekte und identifizierten dabei ein Einsparpotenzial von jährlich circa 5.400 t CO2. Etwa 430.000 Bäume müssten gepflanzt werden, um die gleiche Menge CO2 zu binden.
Situation in Österreich
Nach Ansicht der Studienleiter lassen sich die Ergebnisse des WISAG Nachhaltigkeitsradars trotz des Fokus auf Deutschland durchaus auch auf den österreichischen Immobilienmarkt anwenden. Bestätigt wird diese Annahme durch die kürzlich erschienene Studie „Analyse 2012: Nachhaltigkeitsthemen bei Immobilieninvestitionen“ von Ernst & Young Real Estate. Ihre Ergebnisse zeigen, dass zwischen Deutschland, Schweiz und Österreich ein ähnliches Meinungsbild vorherrscht.
Ernst & Young hat herausgefunden, dass in Österreich Energieeffizienz, Lebenszykluskosten und Betriebskosten noch stärker als nachhaltigkeitsbeeinflussende Kriterien gesehen werden als in Deutschland und der Schweiz. Die Chance, Bestandsimmobilien nachhaltig zu revitalisieren, wird von den österreichischen Investoren am größten eingeschätzt. Die Zertifizierung scheint in Österreich ein größeres Gewicht zu haben als in den übrigen Ländern, so zumindest die Meinung der befragten österreichischen Investoren: Zertifizierung wird zum Standard und in den Fokus der Analysten rücken.
In diesem Jahr mehr Teilnehmer
Angespornt durch die Erkenntnisse der Vorjahresstudie hat die WISAG in ihrem Nachhaltigkeitsradar 2012 die wesentlichen Fragen zur Motivation, zu den Barrieren und fördernden Elementen sowie zu der Wahrnehmung von Nachhaltigkeit im Immobilienbereich vertieft. Mit weiteren Fragen beispielsweise zu relevanten Handlungsfeldern für FM-Dienstleistungen stellt diese Studie eine wichtige Weiterentwicklung dar. Die Ergebnisse basieren auf einer Onlinebefragung, die sich an mehr als 1.380 Führungskräfte und Experten aus der Immobilienbranche gerichtet hatte. An der Befragung nahmen 212 Experten teil. Dies entspricht einer Rücklaufquote von 16 Prozent. Verglichen mit der Beteiligung im letzten Jahr mit 1.200 Adressaten bei einer Rücklaufquote von 15 Prozent, konnten für die Studie 2012 mehr Interessierte für eine Teilnahme gewonnen werden. Die Teilnehmergruppe setzt sich aus Vorständen, Geschäftsführern, Abteilungsleitern und Angehöriger sonstiger Funktionsbereiche aus kleinen und mittleren Unternehmen sowie Unternehmen mit mehr als 20.000 Beschäftigten zusammen. Alle Bereiche der Immobilienbranche wie Planer, Investoren, Nutzer und FM-Dienstleister waren vertreten.
Schaubilder zum Download unter: http://www.radix-group.com/wisag.html